Patientenverfügung - eine Entscheidungshilfe

Einführende Worte zur Patientenverfügung.

Viele Menschen machen sich Sorgen über die letzte Phase ihres Lebens. Sie fragen sich: Wie wird es mit mir zu Ende gehen? Werde ich einmal zu Hause sterben können oder wird man mich ins Krankenhaus bringen? Werden dann Menschen bei mir sein, mir beistehen und Kraft geben? Werde ich unerträgliche Schmerzen haben? Oder nur noch ohne Bewusstsein vor mich hindämmern?

So schwer solche Fragen sind, es ist gut, ihnen nicht auszuweichen. Denn zum verantwortlichen Leben gehört auch das Bedenken des Todes und das Annehmen der eigenen Sterblichkeit. Der christliche Glaube, dessen Mittelpunkt Sterben, Tod und Auferstehung Jesu Christi ist, gibt Freiheit, auch über das eigene Sterben nachzudenken und angemessene Vorsorge zu treffen.

Lebensqualität oder verlängertes Sterben

In den letzten Jahrzehnten ist das Sterben zu Hause im Kreis der Familie, der Angehörigen und Nachbarn selten geworden. Die weitaus meisten Menschen sterben in Alten- oder Pflegeheimen und Krankenhäusern. Dort wird ihnen eine fachkundige medizinisch-pflegerische Betreuung zuteil, wie sie in früheren Jahrhunderten unbekannt war. Der wachsende Fortschritt der medizinischen Möglichkeiten wirft aber auch Fragen auf, die sich früher so nicht gestellt haben.

Viele Menschen fragen, ob die Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Medizin am Ende wirklich zu einer Verbesserung der Lebensqualität beiträgt oder ob sie nur einen belastenden Sterbeprozess verlängert. Was ist besser: in der vertrauten Umgebung zu sterben, auch wenn fehlende technisch-medizinische Möglichkeiten die letzte Lebensphase verkürzen können, oder auf der Intensivstation, von technischen Geräten umgeben, solange wie möglich zu leben?

Wer entscheidet?

Solche Fragen lassen sich nicht generell beantworten. Um menschenwürdig bis zuletzt leben zu können, kann sowohl eine intensive medizinische Behandlung erforderlich sein als auch der Verzicht auf ihre Anwendung. Letztlich muss die Entscheidung aus der konkreten Lage des sterbenden Menschen heraus und von seinen Bedürfnissen her getroffen werden.

Aber wer entscheidet? Wer entscheidet, wenn Betroffene selbst sich nicht mehr äußern können? Wer entscheidet, wenn Sie selbst nicht mehr sagen können, was Ihr eigener Wunsch ist? Auch wenn Sie Ihre Vorstellungen und Wünsche nicht schriftlich dokumentiert haben, werden Sie – Ihrer Situation angemessen – behandelt und versorgt werden. Ärzte, Ärztinnen und Pflegende haben sich verpflichtet, die Würde und den Wert jedes menschlichen Lebens bis zuletzt zu achten. Dabei setzt jede ärztliche Behandlung Ihr Einverständnis voraus.

Entscheidungshilfe für den Arzt

Mit Hilfe einer Patientenverfügung können Sie schon jetzt die Anwendung medizinischer Verfahren und damit den Verlauf Ihrer letzten Lebensphase mitbestimmen. Sie können schon jetzt etwas dafür tun, dass Sie in dieser Phase des Lebens Ihrer Vorstellung und Ihrem Wunsch gemäß menschenwürdig und körperlich erträglich durch medizinische Behandlung und qualifizierte Pflege betreut werden. Falls Sie in eine Situation geraten, in der Sie nicht mehr in der Lage sind, selbst über medizinische Maßnahmen zu entscheiden, ist die von Ihnen verfasste Patientenverfügung von dem Arzt oder der Ärztin als wichtige Entscheidungshilfe zu berücksichtigen.

Wir nennen das hier angebotene Formular eine Christlichen Patientenverfügung, weil sie dem christlichen Glauben verpflichtet ist. Dieser achtet das Leben und die einzigartige Würde des Menschen als Gottes unantastbare Gabe, die auch im Sterben zu respektieren ist, und weiß sich von der Auferstehungshoffnung getragen.

Rechtzeitig Patientenverfügung unterschreiben

  • Das Leben ist uns geschenkt, damit wir es – trotz Leid und Tod – annehmen und gestalten können. Gott ist ein Freund des Lebens. Er will, dass uns ein erfülltes Leben gelingt. Dazu wünscht er unser Mittun und Mitgehen. Er befähigt uns dazu, dass wir unser Leben verantwortlich gestalten, auch in der letzten Phase.
  • Bis zuletzt soll ein Leben als lebenswert und sinnvoll erfahren werden können. Dazu gehört auch, Informationen zu erhalten, entscheiden zu dürfen, in Verbindung mit lieben Menschen bleiben zu können, Zeit zum Durchdenken und Klären von Fragen und zum Abschiednehmen und Annehmen des eigenen Todes zu haben. Dieses ist häufig ein schwieriger Prozess.
  • Das Bereitwerden zum Sterben kann durch schwere Schmerzen und quälende körperliche Symptome und ebenso durch massive medikamentöse Dämpfung behindert werden. Schmerztherapie, Palliativmedizin, Hospizarbeit, pflegerische Maßnahmen, mitmenschliche und geistliche Begleitung sollen es möglich machen, mit Gespür und Achtung für den sterbenden Menschen die Balance zu finden, die auch die letzte Lebensstrecke menschenwürdig und sinnvoll durchleben lässt.
  • Wir machen die Erfahrung, dass wir unser Leben nicht in der Hand haben. Das Leben ist ein Geschenk Gottes. Wir vertrauen auf seine Begleitung und Hilfe auch für die letzte Phase unseres Lebens. In diesem Vertrauen nutzen wir die Möglichkeit einer Patientenverfügung. Sie erleichtert es den Ärzten, Ärztinnen und Pflegenden, uns mit unseren Wünschen zu achten, ganz gleich, in welcher Bewusstseinslage wir uns befinden.
  • Für jeden Menschen kommt die Zeit des Sterbens. Manchmal stellt sich dann die Frage, ob das Lebensende noch für eine kurze Zeit hinausgezögert werden kann und soll. Mit der Patientenverfügung können Ihre persönlichen Wünsche für die Behandlung am Lebensende formuliert werden, so z. B. der Verzicht auf umfangreiche medizinisch-technische Behandlung oder der Wunsch nach Maßnahmen, die die Schmerzen lindern (Palliativmedizin).
  • Damit soll auch für den Fall, dass Sie selbst sich nicht mehr äußern können, gewährleistet werden, dass Ihre persönliche Einstellung zum Ende des Lebens für alle behandelnden Ärzte und Ärztinnen bekannt ist und respektiert wird. Dies bedeutet nicht, dass auf die Möglichkeiten moderner Medizin verzichtet werden soll, wenn davon eine nachhaltige Hilfe zu erwarten ist.
  • Es ist zu respektieren, wenn Patienten oder Patientinnen sich dafür entscheiden, den Weg durch Krankheit und Leid, durch das Ertragen von Schmerzen und belastenden Behandlungen als Prozess des inneren Wachstums anzunehmen. Manche Christen machen durch ihr Leiden die Erfahrung einer tiefen Solidarität mit Christus, der uns durch sein Leiden erlöst.
  • Das Leben ist uns nicht frei verfügbar. Genauso wenig haben wir ein Recht, über den Wert oder Unwert eines menschlichen Lebens zu befinden. Jeder Mensch hat seine Würde, seinen Wert und sein Lebensrecht von Gott her. Jeder Mensch ist ungleich mehr, als er von sich selbst weiß. Kein Mensch lebt nur für sich und kann genau wissen, was er für andere bedeutet. Weil Gott allein Herr über Leben und Tod ist, sind Leben und Menschenwürde geschützt.
  • Im Glauben an den Gott des Lebens wissen wir, dass jeder Mensch mit seinem Leben – wie immer es beschaffen ist – unentbehrlich ist. Ohne solche Anerkennung der Würde und des Lebensrechtes jedes Menschen wäre kein Zusammenleben der Menschen möglich. Es gäbe kein Recht und keine Liebe. Würde z. B. ein Arzt oder eine Ärztin einer Bitte von Angehörigen folgen und einen qualvoll leidenden Patienten töten, so würde das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient grundlegend zerstört.
  • Darum muss eindeutig und klar gesagt werden: Das Töten eines Menschen kann niemals eine Tat der Liebe oder des Mitleids sein, denn es vernichtet die Basis der Liebe und des Vertrauens. Weil wir nicht selbst frei über unser Leben und schon gar nicht über das Leben anderer verfügen, lehnen wir jede aktive Beendigung des Lebens ab.
  • "Aktive Sterbehilfe" und "passive Sterbehilfe" müssen deutlich voneinander unterschieden werden. "Aktive" Sterbehilfe meint die gezielte Tötung eines Menschen, z. B. durch die Verabreichung eines den Tod herbeiführenden Präparates (z. B. Tablette, Spritze, Infusion). Die Tötung schwerstkranker und sterbender Menschen unter bestimmten Bedingungen ist in einigen wenigen Ländern inzwischen legalisiert worden.
  • "Aktive Sterbehilfe" ist jedoch mit dem christlichen Verständnis vom Menschen nicht vereinbar. Sie ist in Deutschland zu Recht verboten und wird strafrechtlich verfolgt, und zwar auch dann, wenn sie mit ausdrücklicher Zustimmung des Patienten oder der Patientin erfolgt. Demgegenüber zielt "passive" Sterbehilfe auf ein menschenwürdiges Sterbenlassen, insbesondere dadurch, dass eine lebensverlängernde Behandlung (z. B. künstliche Ernährung, künstliche Beatmung oder Dialyse, Verabreichung von Medikamenten wie z. B. Antibiotika) bei einem unheilbar kranken Menschen, der sich im Sterben befindet, nicht weitergeführt oder gar nicht erst aufgenommen wird. "Passive Sterbehilfe" setzt das Einverständnis des sterbenden Menschen voraus und ist rechtlich und ethisch zulässig.

Gespräche anregen

Die Handreichung zur Christlichen Patientenverfügung möchte einen Weg zwischen unzumutbarer Lebensverlängerung und nicht verantwortbarer Lebensverkürzung aufzeigen. Sie soll als Entscheidungshilfe dienen – sowohl für Ihre eigene Urteilsbildung als auch für jeden, der möglicherweise einmal an Ihrer Stelle entscheiden muss. Dies kann eine von Ihnen bevollmächtigte Vertrauensperson sein oder ein vom Gericht bestellter Betreuer oder eine Betreuerin, die in Ihrem Sinne tätig werden sollen. Die Handreichung möchte auch eine Anregung zum Gespräch sein – in der Familie, mit Freunden und Freundinnen, mit dem Arzt oder der Ärztin.

Die Kirchen bietet Ihnen, Ihren Angehörigen und allen, die im Gesundheitswesen tätig sind, seelsorgerliche Begleitung an. Das gilt in besonderer Weise für schwierige Entscheidungen am Lebensende. Es soll nichts unversucht bleiben, um Menschen ein Leben in Frieden, Würde und Selbstbestimmung bis zum Tode zu ermöglichen.

(C) Christliche Patientenverfügung